Filmkritik zu Twisters

Bilder: Warner Bros Fotos: Warner Bros
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    Wind of change?

    Exklusiv für Uncut
    2023 konnte man eine Erschütterung vernehmen. Nach Jahren über Jahren, wo vor allem ein Genre für Einspielrekorde sorgte, die Comicverfilmung, schwächelte es das erste Mal deutlich; große Produktionen wie „Shazam“, „Flash“, „Ant-Man“ oder „The Marvels“, alle blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Ist die lange prophezeite Müdigkeit endlich eingetreten? Die Frage tut sich auf, ob die baldige Rückkehr von Hugh Jackman in seiner Paraderolle als Wolverine da noch gegensteuern kann. Das Blockbusterkino scheint in einem Tief zu stehen, ein Umschwung könnte sich abzeichnen. In Zeiten wo ständig Klimawandel und Extremwetterkapriolen das reale Nachrichtenbild prägen, versucht sich nun Lee Isaac Chung („Minari - Wo wir Wurzeln schlagen“) passend zum Thema an seinem ersten solchen. Nach dem Drehbuch von Mark L. Smith („The Midnight Sky“, Co-Autor von „The Revenant“) bedient er sich nämlich eines Genres, in dem eher Flaute herrschte: dem Katastrophenfilm.

    Der Blick in die Vergangenheit

    Lange her sind die glorreichen Zerstörungsorgien der 90er. Egal ob Vulkane ausbrachen, Stürme wüteten oder Einflüsse aus dem All den Planeten bedrohten; Katastrophen als Spektakel haben im Kino immer schon die Massen begeistert. Spätere Filme, wie beispielsweise die des aus dieser Welle hervorgegangenen Roland Emmerich („Moonfall“), drifteten aber bald in eine übertriebenere, irgendwann regelrecht absurde Richtung ab; der einstige Glanz schien verloren.

    Ein Highlight jener fruchtbaren Ära kam in der Form von „Twister“ mit Bill Paxton und Helen Hunt. Die Geschichte über zwei Meteorologen, die ein Frühwarnsystem für Tornados zum Schutz der Bevölkerung entwickeln wollen, hatte einfach alles: mitreißende Action, große Emotionen und Witz. Nach einer zur Recherche erneuten Sichtung kann ich sagen, dass auch der Film (mit einer Ausnahme) kein Stück gealtert ist. Als gleichwohl spirituelle wie konkrete Fortsetzung, gespickt mit zahlreichen Referenzen, versteht sich nun „Twisters“. Damit folgt er aber in gewisser Weise auch einem weiteren Trend der vergangenen Jahre und kann durchaus als nächster Eintrag in der langen Liste von Requels verstanden werden (ein Kunstwort aus Reboot und Sequel, in dem Jahre später ein Franchise durch Anknüpfen an alte Zeiten und Appell an die Nostalgie, neu gestartet werden soll: vgl. „Jurassic World“, „Ghostbusters“).

    Kate (Daisy Edgar-Jones) hat nach einem traumatischen Erlebnis die Sturmforschung aufgegeben. Als ihr alter Freund Javi (Anthony Ramos) mit einer vielversprechenden Idee zu ihr kommt, lässt das ihren langen Traum wieder aufleben, einen Weg zu finden um Tornados zu bekämpfen. Da mischt sich ausgerechnet Streamer Tyler Owens (Glen Powell) ein, der der zerstörerischen Naturgewalt mit nicht genügend Respekt zu begegnen scheint. Zum Wohle ihrer Mitbürger müssen sie lernen zusammenzuarbeiten während Kate mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird...

    Neue Helden

    Katastrophenfilme bringen also Menschen zusammen, weil Katastrophen Menschen zusammenbringen. Sie können das Schlechteste in uns hervorrufen, doch immer auch das Gute; Mut, Hilfsbereitschaft, Aufopferung. Heldentum eben. In Zeiten wo Pessimismus und Zynismus dominieren, werden moderne Heldengeschichten wie diese rarer, aber vielleicht braucht es die wieder vermehrt. In Verbindung mit adrenalinerzeugender Action, wahrhaft witzigen Momenten und einer an vergangene Zeiten reminiszierenden Filmmusik (Benjamin Wallfisch), kommt ein insgesamt so stimmiger Blockbuster raus, wie ich ihn zuletzt nur bei „Top Gun: Maverick“ erlebt habe. Die im Original verwendeten, eher schlecht gealterten Computereffekte, sind nun Vergangenheit (ironischerweise kam Jahre vor dem ersten Teil bereits der revolutionäre „Jurassic Park“ heraus). Technisch überzeugt er auf jeder Ebene, „Twisters“ sieht zumindest wirklich ansprechend aus.

    Die Zukunft in den Sternen

    Verbindungen zu „Top Gun: Maverick“ kann man aber nicht nur aufgrund von persönlichem Empfinden ziehen. Die Story beispielsweise stammt von niemand geringerem als Regisseur Joseph Kosinski. Und Glen Powell hat nicht nur dort schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sondern könnte mit Glück auch helfen etwas anderes Totgelaubtes wiederzubeleben: den Typus Filmstar. Die Zeiten wo Schauspieler allein Zuschauer ins Kino bewegten sind vorüber, was zählt sind Marken, Figuren und geistiges Eigentum. Will Smith hat sich mit seiner Oscar-Eskapade wohl selbst aus dem Rennen „gehauen“, Dwayne Johnsons Reiz wirkt durch monotone Rollenauswahl und sichere Entscheidungen schon verloren; einzig und allein Tom Cruise scheint unter anderem mit dem „Mission Impossible“-Franchise (ähnlich dessen wohl bekanntester Sequenz) der einsame Faden zu sein an dem das Konzept noch hängt. Diesen Umstand haben genauso lange vor mir schon weitaus kompetentere Personen festgestellt, wie auch den, dass Glen Powell das Potential hat, in dessen Fußstapfen zu treten. Spätestens mit „Twisters“ könnten aber nun die meisten auf diesen Zug aufspringen. Es reicht doch einfach nur, sich mal seinen Namen auf der Zunge zergehen zu lassen. Weiters glänzt er mit Charisma ohne Ende, solidem Schauspiel, und nebenbei auch noch mit nicht von der Hand zu weisender Optik; die nötigen Voraussetzungen hätte er mit Sicherheit, nun muss man sehen, ob die Zuschauer ihm folgen werden. Natürlich braucht es auch die passenden Filme. Mit „Wo die Lüge hinfällt“ war er bereits in der fast schon obligatorischen romantischen Komödie zu sehen, seriöser ging es dagegen im Koreakriegsdrama „Devotion“ zu (witzigereise auch da als Kampfpilot). Und erst vor zwei Wochen zeigte er verschiedenste Facetten als er in Richard Linklaters „A Killer Romance“ in multiple Rollen schlüpfte.
    Die Chemie mit Daisy Edgar-Jones stimmt hier hervorragend, und als Hauptdarstellerin ist sie gleichwohl fantastisch. Nebenbei fährt Tylers Truppe mit einer Riege sehr sympathischer Charaktere auf; besonders hervorzuheben ist wohl der von Brendan Perea. (Katy O‘Brian wird euch dafür bald in ihrer Hauptrolle in „Love Lies Bleeding“ wörtlich umhauen).

    The Home in Oklahoma

    Als jemand der sonst eigentlich fast kotzen muss, wenn irgendwo in einem Film eine US-Flagge weht und es mit dem Patriotismus mal wieder zu weit getrieben wird, war ich sehr postitiv überrascht, wieviel Lokalkolorit ich offenbar doch vertragen kann. Gezeigt wird ein Bild vom ruralen Amerika, das mal nicht nur zum Fremdschämen anregt. Im Fokus stehen meistens die Menschen, die dort leben, dadurch bekommt Kates Forschung eine gewisse Dringlichkeit. Der Film strahlt auch durch und durch ein Gefühl von Heimat aus, und damit kann wohl jeder irgendwie etwas anfangen. Und der Soundtrack der fast ausschließlich aus Countrynummern besteht (das normalerweise alles andere als mein präferiertes Genre ist), hat dieses Gesamtbild so stimmig abgerundet, dass ich mich ständig beim Mitsummen erwischt habe.

    Mir hat er mit seiner optimistischen Grundaussage nebenbei neuen Optimismus gegeben, dass das Blockbusterkino zur alten Stärke zurückkehren kann. Egal ob „Twisters“ schlussendlich frischen Wind hineinbringt und den Sommer im Sturm erobert oder nur als laues Lüftchen verkommt. Von mir gibts eine klare Empfehlung, für solche Filme wurde das Kino gemacht.
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    (Markus Toth)
    17.07.2024
    11:49 Uhr