Filmkritik zu Queens of Drama

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Glitzerndes Musical-Drama über die erste Liebe in den Mühlen der queerfeindlichen Musikindustrie

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Alexis Langlois‘ Langfilmdebüt „Queens of Drama“ nähert sich der Frage an, wie queere Personen in der knallharten Musikindustrie ihre Identität finden und ausleben können. Das Team spinnt daraus eine dramatische, musikalische Liebesgeschichte.

    Zwei wie Tag und Nacht

    Ausgerechnet bei einer Castingshow laufen sich Mimi und Billie Mitte der 00er-Jahre über den Weg und verlieben sich ineinander. Die talentierte, brave und unschuldige Mimi träumt von einer Karriere als Popstar. Billie eckt mit ihrer Kritik am Patriarchat in der Musikindustrie sofort an, ihr direkter, teils vulgärer Punk passt nicht ins Konzept der Show. Eigentlich sind sie verschieden und Mimi möchte ihre Homosexualität vor ihrer Familie verbergen. Und doch sprühen die Funken.

    Show und Karriere als Zerreißprobe

    Mit ein wenig Coaching einer ehemaligen Diva, die nunmehr als Jurorin bei einer typischen Castingshow gelandet ist, nähert sich Mimi schnell dem Bild vom perfekten Teenie-Idol an. Während sie immer erfolgreicher wird, muss sie Billie auf Distanz halten, um ihr Image und somit ihre Karriere nicht zu gefährden. Über ihre Musik verhandeln die beiden ihre Beziehung aus. Bald öffentlich, denn die Popwelt scheint das zu verlangen.

    Keine Karriere ohne (Neu-) Erfindung

    Langlois blickt genau auf die Mechanismen der Musikwelt. Für die beiden jungen Frauen gibt es keine Vorbilder, die offen queer sind. Daher müssen sie selbst einen Weg finden. In einer Welt, die lieber blutjunge, unschuldige Hetero-Popsternchen hat, alles andere als einfach. Langlois illustriert jede Phase der Beziehung mit einem Song beziehungsweise einer Variation davon mit gleichem Text. Oft, aufgrund einer notwendigen Veränderung – meist wegen der Karriere.

    Castingshows, Musikbiz und Popkultur als unverkennbare Einflüsse

    Wie schon erwähnt, hat jede der beiden Protagonistinnen ihr spezifisches Genre – Musik als Verbindung und gleichzeitig Trennung. Kennt man sich in der französischen Musikwelt etwas aus, kann man die Lieder wohl besser einordnen (als ich). Internationale Einflüsse und Vorbilder lassen sich ebenso zahlreich finden. Ästhetisch wie erzählerisch. Die Bilder der Castingshow könnten bei so manchen nostalgische Gefühle hochkommen lassen; „Starmania“, „DSDS“ & Co. lassen grüßen. Die Teenie-Stars ab den späten 90ern/Anfang der 00er-Jahre wie Britney Spears oder Christina Aguilera (auch bei ihr durften laut „Genie in a Bottle“ Männer nicht gleich an ihren Körper, Mimi will in ihrem ersten Hit, dass sie zuerst ihr Herz berühren) sind unverkennbar. Inklusive Imagewandel und (Frisur-)krisen. Kaum ein Klischee wird ausgelassen. Das zeigt zwar die Mechanismen der Musikwelt, hat aber einen Beigeschmack.

    Verortung in der Social-Media-Welt und Videoclip-Ästhetik

    Langlois gibt der Liebesgeschichte von Mimi und Billie einen Rahmen. Ein fanatischer Fan, der*die zur queeren Community gehört, fungiert als Erzähler*in. Das ist eine clevere Strategie, so schwingt immer mit, dass Bilder von Stars oft durch Medien erschaffen werden und/oder von Fans beeinflusst werden. Diese Perspektive erlaubt noch mehr Glitzer, Hardcore Glitzer. Dass typische Musikvideos als Vorbild für die Musikszenen dienen, ist kaum zu übersehen. Hier sei auf die großartige Arbeit der Kostüm- und Make-up-Abteilung verwiesen, die für jedes Lied auch eine optische Veränderung parat haben.

    Was die Musik (nicht) transportieren kann

    Langlois‘ „Queens of Drama“ ist in manchen Szenen nicht viel mehr als eine Aneinanderreihung von Videoclips. An Musicalfilmvorbilder wie „A Star is Born“ mit Lady Gaga reicht er bei Weitem nicht heran; da sind die Fußstapfen der berühmten Popkünstlerin als Hauptdarstellerin einfach zu hoch. Vielleicht liegt es ein wenig an der Sprachbarriere, dass wenig Emotionen rüberkommen. Zuschauer*innen, die ausreichend Französisch können, könnten das etwas anders sehen. Muss man sich auf eine Übersetzung verlassen, die wichtige Textstellen transportiert, die aber einen ganz anderen Rhythmus als der Gesang hat, kann man eventuell nicht so tief in die Musik eintauchen. Fängt man mit den Genres, in denen sich die Künstlerinnen bewegen, nichts an, könnte es ähnlich sein. Ein Risiko bei einem Film, der so stark auf Musik setzt. So sind die Gesangsszenen meist sehr lange, sich wiederholende Musikpassagen, die die Handlung zwar erzählen, aber gleichzeitig zum Stillstand bringen. Sie können ebenso wenig darüber hinwegtäuschen, dass die Grundgeschichte sehr dünn ist und weniger Länge benötigen würde.

    „Queens of Drama“ bietet interessante Einblicke in die patriarchalisch aufgebaute Musikwelt. Die beiden Hauptdarstellerinnen verleihen ihren Figuren sogar mehr Tiefe als die teils klischeehafte Erzählung. Hut ab also. Die relevanten Ansätze zu Musikindustrie und Identität gehen etwas im überbordenden Glitzer der Videoclip-Ästhetik unter – mag man, oder nicht. Versteht man die Musik (besser), kann sie wohl mehr Wirkung entfalten. Ein zum Großteil spannendes Musik-Drama, bei dem manchmal weniger (Wiederholung/Klischees) mehr gewesen wäre. Oder zumindest mehr Geschichte für die Länge des Films.
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    (Ursula Rathensteiner)
    25.09.2024
    22:30 Uhr
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