Filmkritik zu Fréwaka

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Die spinnen, die Iren

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Wer viele Horrorfilme gesehen hat, der weiß: wenn man einer versperrten, mysteriösen Tür über den Weg läuft, sollte die unter keinen Umständen geöffnet werden. Hätte Siobhan – genannt Shoo (Clare Monnelly) – nur nicht alle Warnsignale ignoriert. Kurz nach dem Freitod ihrer Mutter, die Hintergründe sind noch nicht erklärt, verschlägt es die Städterin für ihren neuen Beruf ins ländliche Irland. Fortan soll sie die alternde Peig (Bríd Ní Neachtain) in deren Eigenheim betreuen. Die vier Wände sind allerdings nicht mehr die robustesten: Holzdielen knarzen, Wände zerfallen, seltsame Talismane zieren das Hausinnere. Wäre das nicht bereits genug des Unheimlichen, tönt es nachts auch noch aus dem Keller. Die Tür hinein sei der Zugang zur Hölle, meint Peig. Einer gefährlichen Zwischenwelt, die spirituelle Bestien behaust. Shoo tut es als wirren Kauderwelsch und Symptom der voranschreitenden Demenz ab. Als sie ihrer Klientin näherkommt, Gemeinsamkeiten entdeckt und eine emotionale Bindung eingeht, muss sie sich aber eingestehen: das Grauen ist ganz real.

    Atmosphärischer Folk-Horror aus Irland

    Worauf Aislinn Clarke in ihrer zweiten Regiearbeit, der Titel ihres Vorwerks „Devil’s Doorway“ wäre an dieser Stelle auch treffend gewesen, hinaus möchte, bleibt anfangs etwas schwammig. „Fréwaka“ (irisch für „Wurzeln“) beginnt mit einem Prolog im Jahr 1973: eine ländliche Hochzeit wird von Masken-tragenden Gestalten überrannt, das Verschwinden der Braut sorgt für zusätzliches Rätselraten. Als man in die Gegenwart springt, wir beobachten den Suizid einer alternden Dame, erschließt sich die Verbindung nicht ganz. Das Puzzle fügt sich stückweise zusammen, sobald Shoo ins Bilde rückt, die sich als Tochter der Verstorbenen zu erkennen gibt. Bis des Rätsels Lösung aufgedeckt wird, kurz vor Aufklärung scheint diese etwas überdeutlich, sitzt man gebannt vor der Leinwand. Geschickt platziert Regisseurin Clarke perfekt komponierte, doch Unheil suggerierende Bilder, die in Symbiose mit dem Sounddesign durch Mark und Bein gehen. Man spinnt eine verstörend-verschachtelte Fabel über mütterliche Misshandlung, transgenerationale Traumata und leere Versprechen des Katholizismus, verknüpft mit authentischer Folklore. Gegen Ende geht dem intensiven Schocker ein wenig die Puste aus, gewisse Wendungen werden vorhersehbar, man setzt auf herkömmliche Schrecktricks. Nur ein kleiner Wermutstropfen in diesem sonst schaurig schönen Volksmärchen, das von vorne bis hinten eines bleibt: kompromisslos irisch.
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    (Christian Pogatetz)
    25.09.2024
    09:32 Uhr