Filmkritik zu MaXXXine

Bilder: Universal Pictures International, A24 Fotos: Universal Pictures International, A24
  • Bewertung

    Killer und Stars auf dem Walk of Fame

    Exklusiv für Uncut
    Regisseur Ti West war vor allem berüchtigt für eher billige Horrorproduktion mit 80er-Charme. Seine neue Slasher-Reihe mit Mia Goth – angefangen bei „X“, fortgesetzt mit „Pearl“ und jetzt mit „MaXXXine“ mutmaßlich abgeschlossen – heimste ihm in Indie-Kreisen Ruhm und Anerkennung ein. Sicherlich ist dies auch seinem nostalgischen Hang zu alten Genres und Filmepochen zu verdanken. Während sich „X“ in den wilden 70ern um einen Amateur-Pornofilmdreh drehte und „Pearl“ in die Vergangenheit zur Stummfilmära der 1910er sprang, spielt sich „MaXXXine“ in den 1980ern ab – diesmal endlich in der Metropole der Filmbranche: in Hollywood.

    Inmitten der Traumfabrik…

    1985. Maxine Minx (Mia Goth), die einzig Überlebende des „Texas Pornhouse Massacre“ aus „X“, ist endlich an ihrem Ziel angekommen, nämlich Los Angeles. Trotz den erlittenen Traumas hält sie am Traum fest, ein schillernder Star am Walk of Fame zu werden – koste es, was es wolle! Und der Stein kommt ins Rollen, als sie die erste Hauptrolle im Horrorflick „The Puritan II“ erhält. Allerdings holt die Vergangenheit sie ein. Ein Privatdetektiv (Kevin Bacon) verfolgt sie und parallel zieht ein Serienkiller namens Night Stalker umher, der junge Schauspielerinnen im Visier hat und die Straßen von L.A. zum Horrorfilm werden lässt.

    Wer Filme mag, wird „MaXXXine“ was abgewinnen können. Ti West überfüllt seinen neuesten Film mit popkulturellen Referenzen en masse. Unzählige Name-Droppings von Schauspielstars, Filmmaterial aus eher unbekannten B-Filmen oder selbst eine Verfolgungsjagd durch das Originalset vom Mörder-Haus aus Hitchcocks „Psycho“ sind keine Seltenheit. Diese Easter-Egg-Jagd macht ziemlichen Spaß, aber ein Film muss auch eigenständig stehen. Wie ist „MaXXXine“, wenn man von der Fülle an Referenzen absieht?

    …oder doch in der Albtraumfabrik?

    Wo „X“ ein Slasher war, der sich in der ersten Hälfte Zeit nahm und „Pearl“ unter Vorwand eines Slasher eine Charakterstudie lieferte, wartet „MaXXXine“ zwar wieder mit lustvollen Slasher-Kills auf, aber der Film wirkt mehr wie ein Neo-Noir, wo hinter jeder Straßenecke Kriminalität und Verbrechen lauern. Kevin Bacon spielt zum Beispiel einen Privatdetektiv, der allzu oft an Jack Nicholson aus „Chinatown“ erinnert. Und überraschenderweise darf man durch die weite Bandbreite an verschiedenen Charakteren wie in einem „Whodunnit“ mitraten, wer sich die Lederhandschuhen des Killers überzieht. Die Morde und Gewaltakte können sich dabei in einer verspielten Gore-Brutalität und Kreativität sehen lassen.

    Inhaltlich bleibt sich West jedenfalls seinen Themen selbst treu, zeigt aber frisch Facetten durch das neue Setting auf. In voller Naivität klammert sich Maxine weiterhin am amerikanischen Traum fest, ein Star zu werden. Und währenddessen kommen Proteste der US-Zivilgesellschaft vehementer auf, die der obszönen Filmbranche vorwerfen, sie vergifte die Jugend. Maxine als wehrhafter Gegenpol wird gekonnt von Mia Goth verkörpert, die einmal mehr die Hauptrolle übernimmt. Ihre Figur hat sich weiterentwickelt, wird von Schwächen geplagt, aber legt dennoch ein (bedrohliches) Selbstvertrauen an den Tag. Ihre obsessive Ambition jongliert sie mit ihrem Lebenstrauma. In Hollywood gilt aber: Alles ist mehr Schein als Sein – nicht nur was die Lügen und doppelten Böden des Noir-Genres anbelangt, selbst die Polizei legt bewusst eine Show hin. Dementsprechend gelingt es „MaXXXine“ auch eine starke Atmosphäre von Zweifel und Mistrauen aufzubauen, der es aber nicht an Wests Charme mangelt. Dramaturgisch hingegen schwächelt das Drehbuch leider stellenweise. Die Geschichte ufert auf mehrere Handlungsebenen aus und will mehr, als es einhalten kann. Gerade das Ende wirkt deshalb übereilt.

    Dennoch: Egal ob Slasher- oder Noir-Fan, „MaXXXine“ bereitet großen Spaß! Blutige Kills, nostalgische Ideen, verworrene Krimifälle oder Starbesetzte Figuren – im Gesamtpaket ist für jeden was dabei. Dadurch ist „MaXXXine“ ein allzu würdiger Abschluss für eine überraschende Trilogie.
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    (Tobit Rohner)
    26.06.2024
    16:24 Uhr
    First milk, then Cornflakes
    just like my movie taste.

    Betreibt den Podcast @Filmjoker

    Aktiv auf Letterboxd @Snowbit