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  • Bewertung

    Ein Kettensägen-Solo für die Liebe

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Liebesgeschichten gibt es wie Sand am Meer. Und auch einige Regisseure, die wohl unbedingt ein Musical inszenieren wollen. Und einer davon scheint sich zudem im Horrorfach zu Hause zu fühlen: der Este Sander Maran. Für „Chainsaws were Singing“ mischt er alle diese Elemente zusammen. Klingt unmöglich? Tja. Es ist ein Film geworden. Bis jetzt allerdings nur im estnischen Original zu sehen …

    Liebesgeschichte mit Komplexität auf Sparflamme

    Tom und Maria lernen einander kennen, als sie an einem schwierigen Punkt im Leben sind. In schön gesungenen Zeilen kommen sie einander näher, es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch dann kommt ein Killer namens Killer mit Motorsäge daher und trennt die beiden. Doch sie geben nicht auf und müssen allerlei Hindernisse überwinden, um wieder zusammenzufinden. Und treffen (allzu) zahlreiche schräge Gestalten am Weg. Die ebenso oftmals ein Lied anstimmen.

    Von fröhlichen Melodien und Liebesliedern auf Estnisch

    Maran schafft mit den Liedern, in denen die Figuren über ihre Geschichte, Gefühle und die Welt singen, eine eigenartig fröhliche Atmosphäre. Im estnischen Original wird meist auf Reime geachtet – die fremde Sprache hat einen speziellen Klang. Vielleicht weniger auffällig, wenn man des Estnischen mächtig ist ...
    Falls nicht: Eine Untertitelung ist für ein genaues Verständnis unabdingbar, grundlegende Emotionen kommen über Melodie und Tonfall rüber. Vielleicht nicht ganz zufällig erinnert so mancher Song an jene aus Monty Pythons „Das Leben des Brian“. Regisseur Maran hat Solos, Duette und kurz vor dem Showdown ein Lied für das gesamte Ensemble in die Geschichte eingewoben – wie bei einem klassischen Musical. Hut ab, denn das funktioniert. Sogar die Kettensäge bekommt ihren musikalischen Auftritt.

    Die Lust am Kunstblut

    So komödiantisch die Musik, so grafisch-kreativ inszeniert Maran die Morde des Kettensägen-Killers und seiner Sippe. Da quellen Eingeweide heraus. Das Kunstblut spritzt, dass es eine Freude ist. Man braucht als Zuschauer*in bei manchen Szenen einen guten Magen, auch wenn die gewollte Künstlichkeit deutlich ist. Für eingefleischte Horrorfans vielleicht nichts Neues, aber durchaus unterhaltsam.

    Klischees und Ausloten der zotigen Grenzen

    Regisseur Maran gestaltet die Geschichte nicht gerade mit subtilen Mitteln. Schauplätze (Wald und Haus abseits einer Stadt) und Konflikte (etwa: Mama hat zu hohe Erwartungen) sind altbekannt. Die Figuren sind eher Typen mit wenig Tiefe. Zudem werden Klischees strapaziert und zotige Witze gerissen. Nicht einmal die kreativen Arten, andere zu verletzen oder zu töten, sind als Baustein an sich noch wirklich originell. Vielleicht kann man aber Horror, Liebesgeschichte und Musical in einem nur mit einer gewissen Überzeichnung erzählen. Die eine oder andere schräge Nebengeschichte hätte es trotzdem nicht gebraucht, das Sitzfleisch des Publikums wird unnötig lang strapaziert.

    Überdrehte Unterhaltung

    Dass wenig Spannung aufkommt, einiges vorhersehbar ist, ist kein Weltuntergang. „Chainsaws were Singing“ setzt ganz auf Gags, um das Publikum zu unterhalten. Die sind manchmal einen Tick zu gewollt originell. Fans des feinsinnigen Humors sind hier weniger gut aufgehoben.

    Daher ist es vielleicht besser, das Hirn abzuschalten und mitzulachen. Unbeschwert, ausnahmsweise auch einmal über lesbische Igel oder brennende Omis.

    Das ambitionierte Unterfangen, zahlreiche fast gegensätzliche Genres in einem Film unterzubringen, sollte honoriert werden; also dürfen es ein paar Extra-Punkte/-Prozente sein. „Chainsaws were Singing“ funktioniert dahingehend recht gut, ist durchaus unterhaltsam. Auf dem Niveau, das von Anfang an deutlich gemacht wird. Eine außergewöhnliche Kino-Erfahrung ist der Film in jedem Fall.
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    (Ursula Rathensteiner)
    03.10.2024
    16:08 Uhr
    Cinephile bevorzugt!
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