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  • Bewertung

    Tim Burton beschwört die Geister der Vergangenheit

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    Ruf dreimal seinen Namen und er öffnet dir das Tor zur Hölle: „Beetlejuice. Beetlejuice. Beetlejuice.“ Ein paar Worte, schwuppdiwupp, und er steht vor einem; schelmisch grinsend, mitsamt grüner Haartolle und gekleidet im feinsten, zebragestreiften Zwirn. Hüte sich wer kann, denn dieser Dämon, der korrekterweise „Beetlegeuse“ geschrieben wird, hat nichts als Flausen im Kopf. Clownerie anstelle von Grusel, perfide Komik statt plumpem Terror. Einen so irre lustigen Poltergeist gab es vor seiner Geburtstunde im Jahr 1988 nie – und auch bis heute macht es ihm keiner nach. Es ist kein Wunder, dass das Original einigen Szenestars den Weg aufs Erfolgstreppchen ebnete. Michael Keaton, Winona Ryder und selbst Tim Burton, für den der Film die erst zweite Regiearbeit war, machte der närrische Quälgeist über Nacht weltberühmt. „Beetlejuice“ mag ein ziemliches Produkt der zugekoksten Achtzigerjahre gewesen sein, bleibt in seinem handgemachten Charme aber zeitlos kultig. Wenig verblüffend also, dass quasi alle Beteiligten – mit einer deftigen Ausnahme – die Lust verspürten, noch einmal die Geister von damals zu beschwören. Von der nostalgischen Trendwelle ist kaum ein Kultklassiker gefeit; mit fraglichen Computertricks werden dann manchmal sogar die Toten wieder zum Leben erweckt. Auf solche Pietätlosigkeiten verzichtet „Beetlejuice Beetlejuice“ – ein zugegeben clever gewählter Titel – Gott sei Dank. Auch sonst macht das Legacy-Sequel einiges richtig; und das hätte Tim Burton Anno 2024 kaum jemand mehr zugetraut. Wohl nicht einmal er selbst.

    Zurück zu den handgemachten Ursprüngen

    Galt Burton in den Neunzigern als großer Kinofantast, hat ihn – seinem zynischeren Geistesbruder Terry Gilliam nicht unähnlich – der Übergang ins digitale Zeitalter kreativ aus der Bahn geworfen. Aufwändige, kunterbunt verzierte Setbauten, welche die Ästhetik Burtons definierten, wurden sukzessive durch trostlose CG-Welten eingetauscht. Seine Fehltritte hat er sich mittlerweile selbst zugestanden. Wie er in der Pressekonferenz in Venedig bekanntgab, hat ihm die Arbeit an der Fortsetzung geholfen, die Liebe zum Filmemachen wiederzuentdecken. Laut eigenen Angaben war es die zweifache Kooperation mit Disney, die dem Exzentriker viel Kraft gekostet hatte. Nicht umsonst platziert man im „Beetlejuice“-Sequel den einen oder anderen garstigen Seitenhieb gegen den Mauskonzern. „Beetlejuice Beetlejuice“ ist aber mehr als der trotzige Versuch, sich aus persönlichen Fehltritten herauszureden. Entgegen aller Erwartungen ist es kein simpler Cashgrab geworden, sondern – und das sieht man den Film an – ein Werk, in das viel Liebe und Leidenschaft geflossen ist. Ein „Labour of Love“, wie es der Amerikaner nennt. Den Verführungen moderner Computertechnik hat man diesmal widerstehen können: das Wartezimmer in den Abgrund, und all die grauslichen Kreaturen, die es behaust, bleiben so greifbar schiach und schmuddelig wie damals. Doch, und das mag am meisten erstaunen, suhlt sich die Fortsetzung nicht nur in den ikonischen Bilderreigen, die man vor 36 Jahren entworfen hat. Es gibt neue Kreaturen, neue Stop-Motion-Sequenzen, neue irre Tanzszenen, dazwischen herzhafte Würdigungen ans Italo-Horrorkino, das Burton laut eigenen Angaben verehrt. Vieles davon natürlich ein augenzwinkernder Schwenk zum Original, doch auf simplen Fanservice wird sich nicht ausgeruht. Dem kommt man höchstens nahe, wenn auf einem Begräbnis ein Kinderchor Harry Belafontes „Bananaboat Song“ melancholisch neu interpretiert. „Daylight come and we wanna go home“. Damals gab Catherine O‘ Hara im Takt des Feel-Good-Evergreens einen unfreiwilligen Geistertanz zum Besten, heute begräbt sie dazu ihren Mann (seinem Schauspieler Jeffrey Jones, mittlerweile ein verurteilter Sexualstraftäter, konnte geschickt ausgewichen werden). Welch Ironie des Schicksals.

    Charmante Imperfektion

    Die Geschichte, die „Beetlejuice Beetlejuice“ erzählt, ist am Ende aber der wahrscheinlich uninteressanteste Aspekt. Lydia Deetz (Winona Ryder), hat das geistervernarrte Goth-Mädchen in ihr noch nicht ruhen lassen. Sie moderiert heute eine Fernsehsendung, in der sich alles um paranormale Begegnungen dreht. Richtig glücklich ist sie aber nicht: in ihrer Beziehung (Justin Theroux als elendiger Schleimbolzen) fühlt sie sich eingeengt, ihre rebellische Teenietochter (Jenna Ortega) will erst gar nicht mit ihr in Verbindung gebracht werden. Vor allem ist es aber das „Beetlejuice“-Trauma, das weiterhin an ihr nagt. Wie heißt es doch so oft? Augen zu und durch! Mit drei simplen Worten ruft sie sich ihren alten Widersacher herbei. Dieser hat selbst mit Geistern vergangener Tage zu kämpfen. Bis dahin kommt das Tempo, das muss erwähnt sein, nicht wirklich in die Gänge. Das Familiendrama wirkt deplatziert, die Ästhetik changiert zwischen schaurig schönen Miniaturmodellen und grässlich überbeleuchteten Außensequenzen. Vieles sei aber verziehen, sobald er endlich ins Bild tritt: der selbsternannte Casanova unter den Poltergeistern. Beetlejuice himself. Wieder einmal zeigt sich, dass Michael Keaton mit Fug und Recht als Jahrhunderttalent bezeichnet werden darf. Mit welcher Leichtigkeit er in eine Rolle zurückschlüpft, die man vor 36 Jahren hinter sich gelassen hat, ist bemerkenswert. Treffsicher lispelt man sich in den blanken Wahnsinn und verstört seine Opfer mit verrenkten Gliedmaßen und anderen Grauslichkeiten. So viel sei gesagt: es gibt Nachwuchs, der lässt selbst Chuckys Sprössling wie ein kerngesundes Baby aussehen. Dass der erzählte Plot, mit all seinen falschen Fährten, bei genauerer Betrachtung chaotischer Nonsens ist, muss hingenommen werden. Denn für unkontrolliertes Chaos, dafür steht Beetlejuice mit seinem Namen.
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    (Christian Pogatetz)
    28.08.2024
    20:00 Uhr