Wien, Festivals, Slash Filmfestival
Das war das Slash 2024

Das war das Slash 2024

Sonntagabend wurde das filmische Tor zur Hölle wieder dicht gemacht. Zumindest bis nächstes Jahr. Wir blicken zurück auf zehn aufregende und angsteinflößende Tage.
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von (chrosTV )
Ja im Genre-Allerlei, da gibt’s so manche Metzelei. Ob nun bei Tageslicht oder nächtlicher Schlafwandelei. Wie das auf der großen Leinwand so aussieht, durfte man in den vergangenen zwei Wochen beim Slash bestaunen. Bei seiner 15. Ausgabe lockte das österreichweit einzige Festival, das sich zehntägig dem Kino der Freaks und Fantasten verschrieben hat, wiedermal mit Perlen des mutmaßlich schlechten Geschmacks. Mutmaßlich deshalb: zwischen B- und Exploitation-Movies, die es ebenfalls nicht zu unterschätzen gilt, haben sich wahre Perlen moderner Genrefilmkunst ins Programm eingereiht. Slasher-Feinspitze kamen bei „Strange Darling“ auf ihre Kosten. Clever strukturiert und in Galgenhumor getüncht, spielt sich der Film J.T. Mollner mit wiederkehrenden Regeln und Motiven des Genres. Ein „Pulp Fiction“ für Fans von Michael Myers, Jason und Co. Wer sich eher im Kampfkino Chinas zuhause fühlt, war bei „Twilight of the Warriors: Walled In“ gut aufgehoben. Das närrische Actionspektakel empfiehlt sich als Hommage an Klassiker des Hong-Kong-Films.

Die ganz großen Geschütze hat man heuer allerdings schon an Tag eins aufgefahren. Mit „The Substance“, der in Cannes prämierten Body-Horror-Satire von Coralie Fargeat, hat man einen der meistbesprochenen Filme des Jahres als Festivalopener ergattern können. Diskutiert wird der Film nicht zu Unrecht: wie direkt und unverblümt unsubtil Schönheitsideale und der Male Gaze seziert werden, hat man selten gesehen. Schon gar nicht mit einem so brachialen, körperlichen Ende. Bei der nächtlichen Eröffnungssause ist manchem Gast die Kinnlade runtergefallen oder der Magen flau geworden - verständlich. Nicht ganz so radikal, aber kaum weniger schaurig und subversiv ging es an den Folgetagen weiter. Ein paar Highlights: die irische Horror-Fabel „Fréwaka“, „Solvent“, Johannes Grenzfurthners grenzgeniale Entstellung der tiefverwurzelten Nazi-Identität des Landes, oder auch der heurige Surprise Movie, das hyperaktive, aber außerordentlich großherzige Zeitreise-Irgendwas „Escape from the 21st Century“.
Escape from the 21st Century Bild aus dem Film „Escape from the 21st Century“ (Filmverleih)

Mit einem weiteren Höhepunkt wurden dann am Wochenende die Pforten zur Hölle wieder dicht gemacht. Ungewohnt blutarm und bewegend. „Memoir of a Snail“, das neueste Stop-Motion-Wunderwerk von Adam Elliot („Mary und Max“), berichtet vom turbulenten Leben einer in sich gekehrten Eigenbrötlerin. Von der Härte und Heiterkeit des Seins. Ein toller Abschlussfilm, der seinen Eigenarten frönt. Auf der kunterbunten Genrespielwiese ist nun mal alles gestattet.

Meine persönlichen Highlights:

1. Escape from the 21st Century
2.The Substance
3. Memoir of a Snail
4. Twilight of the Warriors: Walled In
5. Sew Torn

Falsche Realitäten auf der Leinwand

Nicht nur frische Genre-Kost galt es zu sehen. Unter dem Aufhänger „Fake Truths“ hat man einer unterschätzen Form der Gruselkunst eine gesamte Retrospektive gewidmet: dem Found-Footage-Film. Sprich: gefälschtem Spuk, der durch die Verwendung von Camcordern dokumentarisches Flair entwickelt. „The Blair Witch Project“, der wohl bekannteste Vertreter des Genres, hat 1999 bravourös gezeigt: sind Handkameras im Spiel, lässt sich das Publikum leicht in die Irre führen. Der älteste Film im Programm war dieser verheerend ausgegangene Waldtrip dreier Teenager, bis heute blutgefrierend intensiv, aber nicht. Nein, die Zeitreise ging noch weiter zurück. Besonders gut besucht war die Wiederaufführung von „Nackt und zerfleischt - Cannibal Holocaust“ (1980), dem man nachsagt, den Grundbaustein für Found-Footage gesetzt zu haben. Der Italo-Schocker von Ruggero Deodato, in dem ein Dokumentationsteam einem Stamm Kannibalen folgt, bringt selbst abgehärtete Genre-Connaisseure an ihre Grenzen. Der Härtegrad der Gewaltszenen, exzessiv dargestellte Vergewaltigungen und tatsächlich geschehene Tiertötungen, sorgt zurecht weiterhin für Gesprächsstoff. Allein aufgrund der medienkritischen Einwürfe, die sich der Film erlaubt – so widersprüchlich sie sein mögen – lohnt sich aber die einmalige Sichtung. Die große Entdeckung der Retrospektive war allerdings ein Film, der eigentlich keiner sein sollte. Im TV-Special „Ghostwatch“ wurde in der Halloween-Nacht von 1992 halb Großbritannien Zeuge eines unheimlichen Fernsehexperiments. In einer ausgedehnten Newssendung, moderiert von landesbekannten BBC-Reportern, sollte dem vermeintlichen Spuk eines Familienhauses auf den Grund gegangen werden. Während der Ausstrahlung mehrten sich plötzlich Störsignale, Sichtungen dämonischer Silhouetten; das Publikum war traumatisiert. Dass der Horror von vorne bis hinten inszeniert war, hat man erst später begriffen – es regnete empörte Leserbriefe. Ein Geniestreich, der sich der Manipulation des Fernsehens zunutze macht, wie es womöglich kein zweiter Film tat. In seiner Machart bis heute erschreckend authentisch. Das ist dann wahrscheinlich die Magie „gefundenen Materials“.
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Der Autor
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chrosTV

Forum

  • Einzigartig, aber nicht das einzige

    Das Slash ist super, aber das „einzige Genrefestival in Österreich“ wie oben beschrieben ist es nicht. In Linz gibts in zwei Wochen die „Fright Nights“. Sogar schon in der 20. Ausgabe. Und die „Diametrale“ in Innsbruck würd ich ja auch in die gleiche Richtung einordnen.
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    04.10.2024, 12:26 Uhr
    • Fright Nights

      Da hast du natürlich recht. Für alle, die übrigens beim Slash das Kettensägenmusical „Chainsaws Were Singing“ verpasst haben (die Kritik gibt's auf Uncut), gibt es bei den Fright Nights in Linz, bzw. Pasching um genau zu sein, eine weitere Möglichkeit. Dort wird der Film am 17.10. gezeigt.
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      04.10.2024, 12:39 Uhr