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Heidi@Home: The Perfect Couple

Heidi@Home: The Perfect Couple

Oder wie ein Gruppentanz in einer Krimi-Mysteryserie auf Social Media viral geht
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von (Heidi@Home)
Vor einigen Tagen wurde ich beim Scrollen auf X auf eine neue Netflix-Serie aufmerksam, die sich „The Perfect Couple“ nennt, im deutschsprachigen Raum heißt sie merkwürdigerweise „Ein neuer Sommer“, und die einen prominenten Cast aufzuweisen hat.

Klar, es ist die neue Arbeit von unter anderem Nicole Kidman, aber das war nicht der Grund, warum die Serie auf X trendete. Die Ursache dafür war vielmehr, so skurril das auch klingt, das Serienintro. Denn „The Perfect Couple“ ist eigentlich eine Krimi-Mystery-Miniserie, aber jede Folge wird damit eröffnet, dass der komplette Cast aufgestylt an einem Strand eine poppige Choreografie zum Meghan Trainor Song „Criminals“ tanzt. Auf X fielen dabei öfter die Ausdrücke „campy“, „glossy“ und „catchy“. Viele schrieben: „Dieses Intro werde ich niemals überspringen.“



Dieser Tanz, der im Rahmen einer Vorbereitung für eine Hochzeitsfeier stattfindet, hat mich sofort an eine ähnliche Szene in der Serie „The Affair“ erinnert. Auch dort gibt es eine Hochzeit, auf der alle Anwesenden eine Tanzroutine vorführen. Nur ist „The Affair“ eine Serie über Beziehungen gewesen, die eben mit einer Hochzeit endet, während bei „The Perfect Couple“ in Folge eins ein Mord passiert. Trotzdem wurde dieses Intro sofort ikonisch. Es wurde berichtet, dass der ganze Cast dagegen war zu tanzen, unter anderem, weil es eben nicht zum Ton der Serie passt. Der ganze Cast? Nein. Liev Schreiber, der hier das Familienoberhaupt spielt, war begeistert von der Tanzerei und richtig enttäuscht, dass er nicht öfter dabei im Bild zu sehen war.

Worum geht es abseits davon? Die Familie Winbury bereitet sich auf die Hochzeitsfeier des mittleren Sohnes Benji vor. Die Familie ist schwerreich, es ist eine opulente Party geplant. Die disziplinierte und kontrollaffine Matriarchin Greer (Nicole Kidman) ist Bestsellerautorin und besitzt ein riesiges Anwesen am Meer auf Nantucket. Zu der Familie gehört noch Vater Tag (Liev Schreiber), der recht verhaltensauffällig immer Golf am Meer spielt und dort Möwen abschießen will, dazu zwei weitere Söhne, und zwei (bald) Schwiegertöchter, eine davon ist Dakota Fanning. Die Stimmung ist latent feindselig, die Familie erscheint wohlstandsverwahrlost und komplett dysfunktional. Zusätzlich sind auch die Eltern der Braut da, und die Trauzeugen, jeweils die besten Freunde des Paares. Und Isabel Adjani als „Freundin der Familie“. Nun ja und dann passiert in der Nacht vor der Hochzeit ein Mord.

Ripley
„The Perfect Couple“ (Netflix)


Die Stärke der Serie ist vor allem diese allererste Folge. Denn diese Folge schafft es, uns zwar zu erzählen, dass jemand ermordet wurde und damit quasi praktisch alle Anwesenden unter Mordverdacht zu stellen; wir erfahren aber erst ganz am Ende, wer der oder die Tote überhaupt ist. Das ist sehr spannend, denn wir als ZuseherInnen versuchen nun natürlich bei jeder Szene, jedem Polizeiverhör, herauszufinden, um wen es überhaupt geht. Die Verhöre werden in der bekannten Dualität guter/böser Cop durchgeführt; wobei der gute Cop in diesem Fall ein gutmütiger, afroamerikanischer Mann ist, selbst Vater einer Tochter, und auf der Insel ansässig, und der böse Cop eine resche „Macherin“, die von auswärts zu der Ermittlung entsandt wurde. So gelingt es dieser ersten Folge, die Familienverhältnisse der Winburys quasi von außen und innen zu beleuchten und die Figuren durch die einzelnen Verhöre gut vorzustellen, was wichtig ist, da es relativ viele handelnde Personen gibt.

Danach folgen allerdings noch fünf weitere Episoden, die meines Erachtens den innovativen Ansatz dieser ersten Folge und auch ihr Niveau leider nicht halten können. Wir wissen nun, wer ermordet wurde, es gibt Rückblenden auf die Mordnacht und auch auf das vergangene Jahr, es wird langsam klar, was im Vorfeld alles geschehen ist und, dass tatsächlich (fast) jeder ein Mordmotiv hätte. Nacheinander werden nun die Personen abgeklopft, dauernd steht jemand anderer im Zentrum der Ermittlung, und das ist im Laufe der Zeit etwas repetitiv und ermüdend. Gleichzeitig haben die privaten Szenen einen gewissen „Soap“-Charakter, wobei die Charakterzeichnungen dementsprechend flach und stereotyp bleiben, was leider auch für die Dialoge gilt. Die SchauspielerInnen sind zwar gut oder zumindest ambitioniert, sie hätten sich aber ein komplexeres Drehbuch verdient.



Dennoch schafft es „The Perfect Couple“ immerhin, so spannend zu sein, dass man trotz der narrativen Schwächen erfahren will, wer denn nun tatsächlich der Mörder oder die Mörderin ist. Und so quält man sich manchmal ein bisschen durch die Folgen, wird dabei aber durch stylische Kleidung, dekoraktives Interieur und pittoreske Inselaufnahmen etwas besänftigt.

„The Perfect Couple“ bzw. „Ein neuer Sommer“ läuft aktuell als Miniserie in sechs Folgen auf Netflix.