2 Einträge
2 Bewertungen
70% Bewertung
  • Bewertung

    Hallo McFly, jemand zuhause?

    Als ob es ihm wichtig wäre angesichts seiner Popularität: Dieser Mann genießt ohne Ablaufdatum mein Wohlwollen. Selten hat ein Sympathieträger wie er das Film- und Fernsehgeschehen so aufgemischt wie der ewige Junge aus der Nachbarschaft – und damit ist nicht Spiderman gemeint, denn Tom Holland punktet zwar ebenfalls mit einer gewissen Natürlichkeit, kommt aber an den one and only Michael J. Fox einfach nicht heran. Ehrlich gesagt: Das tut niemand. Hätte ich die Chance, mit einem Hollywood-Star befreundet zu sein, dann wüsste ich, es wäre er. Ich wüsste, er wäre es auch, wäre er nicht berühmt. Und auch wenn diese fiese Krankheit genannt Parkinson ab den Neunzigern sein Leben und seine Präsenz auf der Leinwand maßgeblich eingeschränkt hat: Unterkriegen lässt er sich davon bis heute nicht.

    Diese Lust am Leben vermittelt interessierten Zusehern das exklusiv auf Apple TV+ erschienene, abendfüllende und dokumentarische Portrait eines aufgeweckten „Marty McFly“, der sein ganzes zurückliegendes Leben mit Staunen und ironischem Humor betrachtet. Natürlich bleibt bei Filmen wie diesem die Frage offen: Will Michael J. Fox nur so gesehen werden, wie ihn alle kennen, um ein für alle Mal mit Mutmaßungen und pressetauglichen Fehlinformationen reinen Tisch zu machen – oder lebt er dieses Jetzt-erst-recht-Motto tatsächlich?

    Die besondere Kunst des Michael J. Fox lag immer darin, sein sich für ihn begeisterndes Publikum wissen zu lassen, dass das, was er vor die Kamera bringt, ungefähr jener Mentalität gleichkommt, die der Mann auch im Privatleben anwendet. Schließlich gibt es auch Koryphäen des Unterhaltungsfachs wie zum Beispiel Robin Williams, der die Komödien der Achtziger und Neunziger prägte, der aber auch ernst konnte – und tatsächlich aber, und vor allem in den späteren Jahren, wohl ein zutiefst unglücklicher Mensch gewesen sein muss, der seinem Leben durch die eigene Hand ein Ende setzte. Hier in Österreich brachte in den 60er und 70er-Jahren einer wie Maxi Böhm ganze Auditorien durch humorvolle Improvisation zum Brüllen – letztendlich starb er an gebrochenem Herzen. Michael J. Fox macht deutlich, dass gerade seine Authentizität in diesen Dingen, die Mitnahme seines Weltempfindes auf die Leinwand und ins Fernsehen, ihn deshalb so resilient gegenüber allen Widrigkeiten des Lebens werden ließ – und sei es auch das Handicap einer schweren Schüttellähmung, die eisernes physiotherapeutisches Training erfordert und einen unbändigen Willen, so zu bleiben, wie er immer war, zu sich zu stehen und es auszuhalten bis zum Ende, das noch lange nicht kommen muss. Schließlich ist Michael J. Fox nicht allein, hat er doch, und das zeigt Davis Guggenheim auf fast schon idealisierte Weise, die Beständigkeit einer treuherzigen Familie hinter sich.

    Unter solchen Bedingungen lässt sich der Blick zurück auf eine Zeit, als alles noch wirklich richtig gut war und der eigene Körper das machte, was er tun soll, auch aushalten. So nimmt sich Dokufilmer und Serienmacher Davis Guggenheim, dessen von Al Gore moderierte Warnung Eine unbequeme Wahrheit 2006 schon in weiser Voraussicht den Klimawandel thematisierte, genug Zeit, um mit den im Geiste junggebliebenen und scharfsinnigen Kultschauspieler über Gewesenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges zu philosophieren. Der Werdegang, die ganze Karriere und der Ruhm, der ihm auch nie zu Kopf gestiegen war, erzählt sich schließlich wie das Soll eines Hollywood-Traums, angefangen von der Sitcom Family Ties (hierzulande bekannt unter Familienbande) bis zu den legendären Auftritten zu den Jahrestagen von Zurück in die Zukunft, gemeinsam mit Freund Christopher Lloyd. Solche Momente rühren dann doch, und zur Gänze schönreden lässt sich die missliche Lage eines gequälten Körpers dann auch nicht mehr. Michael J. Fox nimmt sie hin, er zeigt, was Sache ist, er zeigt auch, dass Parkinson nicht mit Alzheimer zu verwechseln ist. Er zeigt, dass er will, und meistens sogar kann. Er macht auch klar, dass das, was die Habenseite ausmacht, viel mit Zufriedenheit zu tun hat. Immer noch mehr zu wollen wäre fatal, also wählt Fox den Weg der Akzeptanz und des Stolzes. In Still: A Michael J. Fox Movie müssen Taschentücher nicht griffbereit liegen, niemals ergeht sich dieser sich selbst so achtende Öffentlichkeitsmensch in Selbstmitleid. Man könnte Guggenheims Film auch als Suche nach einer Form des Glücks betrachten – nach jenem der Fülle. Die Pro- und Contra-Liste von Fox‘ Leben ist lang, doch nur in einer der beiden Spalten häufen sich lebensbejahende Argumente, die ihm keiner mehr nehmen kann. Nicht mal Parkinson.



    Mehr Reviews und Analysen gibt's auf filmgenuss.com!
    filmgenuss_logo_quadrat_2a3baf4bcc.jpg
    23.04.2024
    16:32 Uhr
  • Bewertung

    Larger than life

    Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
    „Still: A Michael J. Fox Movie“ ist eine Dokumentation über den Schauspieler und Mensch Fox. Regie führt Davis Guggenheim, der Fox auch privat kennt und mit Elisabeth Shue, der Film-Freundin von Fox in „Zurück in die Zukunft“, verheiratet ist.

    Zunächst einmal: Wenn man Michael J. Fox zum Mittelpunkt einer Dokumentation macht, dann ist das mehr als nur die halbe Miete. Es gibt wenige Schauspieler oder generell Menschen in der Öffentlichkeit, Prominente, die so dermaßen geliebt werden und so wenig kontroversiell sind wie eben Fox. Er war der Held einer Generation von Menschen, deren Generation auch ich angehöre. Und fast jeder, dem ich erzählt habe, dass ich über Sundance berichten werde, hat mich gefragt: Siehst du da auch den Michael J. Fox Film? Michael J. Fox umgibt eine Aura, die über den Status Schauspieler weit hinausgeht. Man hat das Gefühl, mit ihm befreundet sein, ihn in seinem Leben haben zu wollen. Insofern hatte Guggenheim relativ leichtes Spiel, aber deshalb möchte ich auch ein bisschen differenzieren, zwischen der Person Michael J. Fox, die porträtiert wird und der Dokumentation an sich.

    Wir erfahren einiges von Fox, dass wir so vielleicht noch nicht wussten. Er war ein kleines Kind, bald körperlich kleiner als seine drei Jahre jüngere Schwester und er sah auch immer jünger aus. Bereits als Teenager ging er – mit Unterstützung seines Vaters – nach Hollywood, um dort sein Glück zu versuchen. Und fast wäre er gescheitert. „Family Ties“ war sein letzter Versuch in der Branche Fuß zu fassen und beinahe hätte er auch diese Rolle nicht bekommen, denn der Produzent war dagegen ihn zu besetzen. Als Alex B. Keaton richtete sich der Fokus allerdings schnell auf ihn, obwohl die Serie ursprünglich eher die Eltern porträtieren sollte. Weil „Family Ties“ so großen Erfolg hatte, wurde Fox für „Zurück in die Zukunft“ gecastet, und musste diesen Film dann vornehmlich nachts drehen, tagsüber ja die Sitcom.

    Fox war am Zenit seines Erfolgs, als bei ihm mit 29 Jahren Parkinson diagnostiziert wurde. Diese Diagnose hielt er lange geheim, behalf sich mit ständiger Medikation, um auf den Filmsets nicht auffällig zu werden und einiger Tricks, die er in der Doku schildert. Als er schließlich in einer weiteren Serie – „Spin City“ – erfolgreich war, hatte er auch sein Parkinson-Coming Out. Die Doku zeigt Ausschnitte aus jener beeindruckenden Folge, eine der ersten, die nach dem „Outing“ gezeigt wurde, in der Michael J. Fox praktisch die ganze Zeit Rollschuh fährt. Fast um wie allen zu zeigen: Ich lebe noch, ich bin noch derselbe, ich lasse mich nicht unterkriegen.

    Michael J. Fox geht in eindrucksvoller Weise mit seiner Krankheit um. Weder ist er verbittert über sein Schicksal und versinkt im Alkoholismus, der durchaus damals ein Thema war; seine Frau Tracy Pollan unterstützte ihn beim Entzug. Noch erklärt Fox dem Publikum in „White-washing“ Manier, dass ihn die Krankheit zu einem besseren Menschen gemacht hätte. Nein: Er sagt, es wäre Scheiße, aber er lebt jetzt halt damit. Er arbeitet viel mit Ironie, als er etwa Comedian Larry David Kaffee serviert, dabei einen Teil davon verschüttet und ihn David gespielt genervt ansieht: „Es ist meine Krankheit“ Zwinker. Aber die Doku zeigt auch, wie Fox fast täglich stürzt, gegen Möbelstücke läuft, sich auf mannigfaltige Art und Weise verletzt. Er macht trotzdem einfach weiter.

    Zur Arbeit von Guggisheim ist zu sagen: Ja, die Doku heißt „Still“ und spielt natürlich damit, dass Michael J. Fox nie wirklich ruhig war. Weder als Kind und Jugendlicher, an der Grenze zur Hyperaktivität, noch jetzt natürlich, mit seiner Diagnose. Das bedeutet aber nicht, dass diese Doku permanent so hektisch (geschnitten) sein müsste und dem Publikum kaum eine Verschnaufpause gönnt, vor lauter Reizüberflutung. Ob jedes Lebensereignis von Fox mit TV- und Filmszenen von früher illustriert sein muss, daran habe ich meine Zweifel, auch wenn akribische Recherchearbeit dafür nötig war. Am stärksten ist „Still“ dort, wo Michael J. Fox einfach nur dasitzt und erzählt und kleine Einblicke in seinen Alltag gibt. Wo er sich zeigt, wie er heute lebt, oft ohne seine Symptome permanent zu unterdrücken. Mehr davon hätte der Doku gutgetan.

    Alles in allem ist „Still“ aber natürlich trotzdem sehenswert, in erster Linie aufgrund der nach wie vor enorm faszinierenden Hauptperson.
    heidihome_9fc566c28c.jpg
    01.02.2023
    22:11 Uhr